Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
Ich bin der RockRentner im Harz
und berichte hier von meinen Wanderungen, zufälligen Begegnungen und Entdeckungen im Harz.
Mittelalterspektakel Ostern 2023 08.04.2023 Wir sind in Familie auf dem Regenstein und die Frage, warum der Regenstein so heißt, erübrigt sich. Es regnet zwar nicht mehr, aber der Regen hat die Wolken nach unten gedrückt, Straßen und Wiesen durchnässt und die Felsen auf Burg Regenstein glitschig gemacht. Es ist Ostern und auf der Burgruine ist ein Mittelalterspektakel angekündigt. Da müssen wir hin, hatte der Familienrat beschlossen, obwohl es mir bei sonnigem Wetter, wie zu Pfingsten 2019 ( HIER ), besser gefallen würde. Die Anfahrt klappt. Vor dem halblegalen „Parkplatz“ hat der Regen ein Schlammloch eingerichtet. Das eignet sich bestens zum Steckenbleiben und genau das wäre mir beinahe (rückwärts) passiert. Meine Fahrkünste retten die Karre, verhindern aber lästige Randbemerkungen nicht. Egal, Dreck kann man abwaschen und Lästereien vergessen. Der kurze Kilometer bis zur Burgruine ist fürs Fußvolk gemacht, nur den Gauklern und fahrenden Leuten ist der Parkplatz weiter oben vorbehalten. Rockrentner sind ausgeschlossen, gehören nicht dazu. Ich spüre die fehlenden Wanderübungen, am Tor bin ich außer Puste und das Wetter ist auch zum Umkehren. Doch die Familie hat anderes im Sinn und alles Weitere ist jetzt ohnehin ausgeschlossen. Kragen hoch und durch. Dieses miese Wetter sorgt dafür, dass sich noch relativ wenig Fußvolk an den Ständen vorbei drängt. Keiner schubst, niemand drängelt, es ist genügend Platz. Meine Nase empfängt Bratwurstdüfte, meine Ohren den Klang von nordischen Melodien. Die Wurst ist mir zu teuer, zu den Musikanten müsste ich eine Felstreppe bezwingen. Beide Vorhaben verschiebe ich auf später und schlendere stattdessen ziel- und lustlos an all diesen Ständen entlang, mische mich unter das „edle Volk“, das unablässig aus den Niederungen des Nebels hier hinauf strömt, das unfreundliche Wetter ignorierend. Vielleicht treibt sie die Hoffnung auf besseres Wetter, auf Kurzweil oder doch nur die Lust auf „Fressen und Saufen“, wie es einer der Spielleute nennt. Also „fresst und sauft und sauft und fresst“, wie eine Rock-Röhre einst auf ’nem „Narrenschiff“ sang. Doch man kann sich hier auch im Gebrauch von Pfeil und Bogen ausprobieren und dem Treiben jener zuschauen, die in Zelten leben, dort auch nächtigen und echte Gewandungen tragen, weil sie sich nur so wohl und angekommen fühlen, wie mir eine der Marktfrauen beichtet. Mit Rastalocken im Haar und Federn darin eingeflochten, so sticht sie aus der Masse der Spielleute, Gaukler und Saufbrüder heraus. Andere Marktweiber stehen an einer heißen Herdplatte, auf der sie Fladenrot backen, das mit allerlei duftenden Beiwerk garniert wird. Irgendwie geht’s an jeder zweiten Bude ums „Fressen“ und daneben ums „Saufen“ von Met, Bier und Likören aller Sorten. Ich kann mir das nicht mehr länger ansehen und gönne mir auf der Terrasse, mit Ausblick über den Wald unterhalb des Regenstein, zwei gar köstliche Rostbratwürste. Die Brötchen reiche ich an bedürftige Wegelagerer weiter. Danach geht’s mir besser. Gestärkt und mit frischer Abenteuerlust ausgestattet, wende ich mich den raufenden Landsknechten auf der Wiese zu. Die führen dem Volke vor, wie man in Tagen ohne Fahrrad, Puzzle und Smartphon die Zeit verplempert hat. Saufen und raufen ist das Motto der nächsten Minuten, wobei noch lautes Brüllen eine besondere Rolle spielt. Letzteres wiederum kenne ich auch aus heutigen MonTagen, hat sich also über die Jahrhunderte erhalten. Fällt unter Meinungsfreiheit und stört niemanden. Als ich mich fast schon dem Ausgang zuwenden will, erklingt wieder altertümliche Musik, die aus einer Felsengrotte über die Anlange schallt. Diese Musikanten begeistern mit erlesenen Klangbeispielen und virtuosem Spiel auf Whistle, Drehleier, Dudelsack, Maultrommel, Gitarre und Schlagwerk in besonderer Umgebung der steinalten Burgruine. Mir wird, trotz feuchter Kühle, warm ums Herz. Ich verweile und lausche dem Spiel von TURAS MATH aus dem nahen Quedlinburg. Die alten Weisen sind auch deshalb interessant, weil man wieder einmal nachvollziehen kann, wo sich einige bekannte Namen inspirieren ließen oder gleich ganze Passagen übernahmen. Ich erkenne „Cats In The Gradle“ von Harry Chapin, das bei uns durch die Sands Familie bekannt wurde, oder auch „Play Minstrel Play“ von dem sich Ian Anderson, aber auch Ritchie Blackmore inspirieren ließ, um sie danach auf ihren Platten zu kredenzen. Jedoch erst in diesen mittelalterlichen Versionen entfalten sie einen besonderen Reiz, zumal auf dem Gelände alter Burgen dargeboten. Ich genieße diese Augenblicke, bin danach glücklich, zufrieden und kann der grauen Burganlage, nach drei Stunden, wieder den Rücken kehren. Einer alten Eingebung folgend, schenke ich mir ein plakatives Erinnerungsstück. No risk, no fun. Das Auto erwartet mich, der halblegale „Parkplatz“ ist halb leer und ich, von der frischen Luft, total müde. Falls morgen die Sonne wieder scheint, ist alles gut und Ostern auf dem Höhepunkt. „Same procedure as every year“, sprach der Osterhase.